Wir versuchen uns als Elemente der anarchistischen Subversion im Kontext eines sozialen Gefüges zu erkennen, das wir nur schwer als Gesprächspartner anerkennen können. In der Tat wurde es von den Apparaten des Kapitals „neutralisiert“, die sich verpflichtet haben, sein Bild zu verzerren, um das Wettrüsten und die Erlangung technologischer Souveränität zu rechtfertigen.
Wir versuchen, die dichten Rauchschwaden in den Augen derer um uns herum zu verstehen und zu zerstreuen. Denn sie neigen dazu, nachdem sie sich dem Erzählkanon der politischen Gesellschaft angepasst haben, ihre Identität immer mehr einer reaktionären und souveränistischen Rhetorik anzupassen. Diese Stimmung des Ausnahmezustands ist die Grundlage für das Handeln der Regierungen, die, indem sie weit verbreitete Phänomene oder zufällige Ereignisse instrumentalisieren, an einem Prozess festhalten, der darauf abzielt, das Gespenst einer allgemeinen Unsicherheit und eines „kriminellen Abdriftens“ in die soziale Marginalität zu schüren. Und so schaffen sie die Grundlage für eine stillschweigende Akzeptanz der Fortsetzung repressiver Reformen. Dagegen erscheinen uns die Stimmen des Dissens, die sich auf eine strukturelle und totale Unversöhnlichkeit mit den Staaten stützen, die den kolonialistischen Imperialismus unter dem Deckmantel eines illusorischen kollektiven Wohlergehens betreiben, schwach.
Für das geübte Ohr ist es die beunruhigende Dissonanz einer Inszenierung, die ins Straucheln geraten ist. Eine atlantische Front, die mit dem Märchen von der Gewaltlosigkeit ihr Werk der Schläfrigkeit fortsetzt, während sie den Ukraine-Konflikt aufrüstet und den Völkermord am palästinensischen Volk unterstützt; eine Festung Europa, die sich in einem Wechselspiel von menschlichem und wohltätigem Antlitz (Bollwerk eines überholten demokratischen Modells) und muskulöser und kompakter Haltung befindet, bereit für alle Eventualitäten angesichts des neu entdeckten äußeren Feindes. Die Aufrüstung des Repressionsapparates, der sich in den letzten Jahren auf die “Vereinigungsverbrechen” konzentriert hat und nun wieder zu den „Tintenverbrechen“ zurückkehrt, steht im Verhältnis zu dem Maß an Glaubwürdigkeit, das sich der Staatsapparat in einem solchen Moment der Geschichte zu verlieren leisten kann.
Wir haben es zum Beispiel mit einem italienischen Staat zu tun, der, wie im Fall der Verlegung von Alfredo Cospito in das 41BIS-Regime, darauf abzielt, die Propaganda zu unterdrücken, die Licht auf seine eigenen Taten wirft. Die „Störenfriede der Feder“ sollen unschädlich gemacht und zum Schweigen gebracht werden: abweichende und abtrünnige „Aufwiegler:innen der Massen“ der anarchistischen Bewegung… Eine Bewegung, die, da sind wir uns einig, heute Schwierigkeiten hat, sich selbst aufzuwiegeln. Auch das veranlasst uns über die Gründe unserer gegenwärtigen Ineffizienz und unserer enormen Widersprüche nachzudenken.
Die Tatsache, dass die Reihen einer Armee von sogenannten Anarchist:innen aufgefüllt werden, die Kluft, die durch die Reaktionen auf das totalitäre Kontrollexperiment namens Pandemie entstanden ist, und der allgegenwärtige reaktionäre Obskurantismus der antifeministischen Strömung (die als queer-transphob zu finden ist, wenn sie von einer – notwendiger denn je – antitechnologischen Kritik begleitet wird) sind nur einige dieser Antinomien. Sie sind eine mahnende Erinnerung daran, dass es in diesem trüben Teich keinen Sauerstoff für alle gibt. Es gibt und kann keine a priori auferlegte Gemeinsamkeit geben, die uns nicht einer unterdrückten Spannung unterwirft; die uns nicht unserer destruktiven Ekstase beraubt; die uns nicht unserer Freude an der Kompliz:innenschaft beraubt. Die Gründe für unsere Ohnmacht in dieser Gegenwart, in der die Welt die immer realere (und immer weniger verstandene) Gestalt der technisch-militärisch-kapitalistischen Plage annimmt, sind auch hier zu suchen. Aber auch und vor allem, indem wir den Blick nach innen richten, auf unsere Widersprüche, auf unser Gefühl als revolutionäre Bewegung und auf die Frage, an wen wir heute den Aufruf zum Handeln richten wollen. Zuallererst an uns selbst? Mit wem fühlen wir uns verbunden als Gefährt:innen? Wen erkennen wir als Unterdrückte? Aus Liebe zu unserer Welt der Wut, die uns vereint, wenn wir uns im Kampf gegen diese Gesellschaft verbünden?
Die Verlags- und Propagandamesse ist für uns ein Ort, an dem Antworten auf diese Fragen ausgetauscht werden können; an dem Wege der Verbindung gestärkt, geschaffen und wiederentdeckt werden können, die es uns ermöglichen, uns als bewusste Einheit (oder bewusste Getrenntheit) zu begreifen. Ohne Diskussionen und Debatten darüber, was unsere Ideen, unsere Geschichte und unsere Träume sind, laufen wir Gefahr, nur ein weiterer Teil der antagonistischen Welt zu werden: sektiererisch, ideologisch, identitär, letztendlich harmlos, weil dem politischen Denkmuster unterworfen und nicht von subversiven Träumen berauscht. Ein Buch, eine Debatte, eine Sprache, die durch unsere Veröffentlichungen zum Allgemeingut wird und zur Verschwörung anregt, ist heute mehr denn je eine Notwendigkeit, um die Zukunft, die uns vorhergesagt wird, zu zerstören; um das Schlüpfen der Tat aus der Raupe, die wir Wort nennen, zu beschleunigen.
Was wir suchen, ist ein Moment der Begegnung mit Gleichgesinnten aus verschiedenen Kontexten, der versucht Grenzen zu überwinden, auch kulturelle und sprachliche; und der zu einem qualitativen Wachstum des Austausches von Analysen und Erfahrungen führt, die über unseren territorialen Horizont hinausgehen und so unserem Wunsch nach Subversion neue Impulse verleihen. Wir greifen erneut auf das Instrument der anarchistischen Solidarität zurück, um die Isolation zu durchbrechen, in die die Gefangenen gezwungen sind, und um uns mit andernorts stattfindenden Kämpfen zu verbinden; Um das Potential unserer Intervention zu vervielfachen, im Hinblick auf ein konkretes Projekt, das keine Grenzen kennt.
Wir knüpfen die Netze der Kompliz:innenschaft, um inmitten der düsteren Farben des Bestehenden die verschwommenen Konturen des Dranges nach Freiheit wiederzuerkennen.